Texttafel für diese einzelne Webseite mit Beschriftung Entwicklung und Highlights

Abb.: Eiserne Hände des Götz von Berlichingen Originale zu sehen im Museum Schloß Jagsthausen


Ein kurzer Überblick über die Geschichte der Prothetik

Spannende Entwicklungen aus mehr als 3.000 Jahren

 

Schon immer rief der Verlust eines Körperteils - sofern man diesen überlebte - einen Wunsch nach Wiederherstellung der verloren gegangenen, ursprünglichen Ästhetik und Funktion hervor. Gab es doch keinerlei Sozialsysteme, um einen Verlust von meist manueller Arbeitsfähigkeit zu kompensieren, konnte der Verlust von Hand, Arm oder Bein(en) oder auch des Augenlichts sehr schnell existenz- oder gar lebensbedrohend werden. Wollte man nicht als „Krüppel“ sein Dasein als Bettler fristen müssen, war man hier auf Improvisation angewiesen und behalf sich mit selbstgebauten Hilfsmitteln, die meist nur unter rein funktionalen Gesichtspunkten angefertigt wurden.
Anders war die Situation bei Vermögenden, meist Angehörigen der herrschenden Klasse: Diese konnten Spezialist*innen beauftragen, die ihnen sogar nur rein ästhetische Prothesen, sog. Epithesen, anfertigten. Die Ausstellung gibt einen Überblick über die wesentlichen Entwicklungsschritte der Prothetik anhand von Abbildungen und wenigen erhaltenen frühen Hilfsmitteln aus der Versorgung.


An Kleiderstange hängendes sogenanntes Knieruhebein aus dem Sammlungsbereich der Ausstellung

Das Stelzbein

Das Stelzbein oder der Stelzfuß stellt die einfachste und wahrscheinlich früheste Beinprothese dar. Leider existieren keine Exponate aus dieser Zeit. Sie haben sich aller Wahrscheinlichkeit nach nur gering von der hier gezeigten Stelzprothese unterschieden. Das in der Sammlung ausgestellte Knieruhebein (Stelzbein) steht stellvertretend für den Beginn der prothetischen Versorgung bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Sie dürfte bis zum 16. Jahrhundert, in dem die ersten einfachen Knie- und Fußgelenke entwickelt wurden, die einzige Versorgungsart gewesen sein.
Das Stelzbein wurde in der Regel durch einen Becken- oder Schultergurt gesichert. Diese Konstruktion ermöglichte ein sicheres Gehen, wenngleich ein sicherer Stand aufgrund der geringen Auftrittsfläche nicht immer gewährleistet war. Da sich dieses Stelzbein wegen seiner Robustheit besonders bei schweren und schmutzigen Arbeiten bewährte, war es in Deutschland bis nach dem Ersten Weltkrieg verbreitet. In den Entwicklungsländern findet man es z. T. noch heute.


Abb.: Knieruhebein (sog. „Stelzbein“)


In Kriegsgefangenschaft nach dem zweiten Weltkrieg selbstgebaute provisorische Unterschenkelprothese aus Blech und Holz

Abb.: Improvisierte Unterschenkelprothese
Eigenbau während der Kriegsgefangenschaft im 2. Weltkrieg aus vorhandenen Materialien, wie Kanisterblech, Gamasche, Stoff, Holz, Nägeln, Metallfeder, Leder


Zwei täuschend echt aussehende Fingerprothesen aus Silikonkautschuk zur visuellen Korrektur des Verlusts eines Fingers

Abb.: Finger-Epithese Silikonkautschuk

Epithesen (= „Deckel“) sind Direktprothesen, die zu Verlust gekommene Gewebeteile möglichst naturgetreu in Form und Farbe ersetzen. Sie werden - wie alle Prothesen - nach Abschluss der Wundheilung z.B. nach Verletzungen, Tumorentfernung oder auch bei Fehlbildungen individuell angefertigt.
Epithesen ersetzen z.B. Finger, Nasen, Ohren, Augenpartien oder ganze Gesichtsteile. Für die Anfertigung jeder Epithese muß eine eigene Form erstellt werden. 
In früheren Jahrhunderten wurden Werkstoffe wie Eisen, Gold, Silber, Legierungen, Elfenbein oder Holz verwendet, später Kautschuk und Zelluloid. Heute verwendet man für starre Epithesen Polymethylmethacrylate („Plexiglas“) für elastische Epithesen Silikonkautschuk (siehe Abb.) oder PVC. Die Epithesen werden mit Hilfe von Titanstiften, Magnetsystemen oder Klebebändern am Körper befestigt.